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Same-Day-Delivery: Informationen und Praxistipps über die schnelle Lieferung im ländlichen Raum

Dieser Beitrag ist Teil 59 von 84 in der Serie E-Commerce

Morgens bestellt, spätestens abends geliefert.

Dieses Prinzip ist weder eine neue Erfindung noch ist es ein solches generelles Erfolgsmodell, wie es von diversen Experten noch vor weniger als zehn Jahren regelmäßig vorausgesagt wurde. Speziell jedoch, was das allgemeine LEH-Sortiment und den ländlichen Raum anbelangt, kann Same-Day-Delivery (SDD) sich durchaus rentieren – wenn Unternehmer es richtig anstellen.

Foto: Supermarkt-Inside

Same-Day-Delivery: Wechselvolle Geschichte mit signifikanter Ausnahme

Die Geschichte von SDD ist unverbrüchlich mit dem Aufstieg von E-Commerce verbunden; insbesondere der Rolle des Giganten Amazon. Denn eine derart schnelle Lieferung bedeutet letztendlich eines: Die Auflösung eines der letzten noch verbliebenen Alleinstellungsmerkmale im stationären Handel. 

Angesichts dessen ist es verständlich, warum SDD in den vergangenen Jahren regelrecht gehypt wurde. Schließlich war es nur eine logische Antwort auf die zuvor schon seit langer Zeit immer kürzer gewordenen Lieferzeiten.

Das Problem daran: In jüngster Vergangenheit zeigte sich (übrigens global), dass viele SDD-Befürworter die Rechnung ohne den Kunden gemacht hatten. Der nämlich wollte und will vielfach gar keine so rasche Lieferung, bevorzugt eher eine möglichst präzise Wunschterminlieferung.

Hat sich damit also dieser Text bereits erledigt, bevor er richtig begonnen hat? Mitnichten. Zwar mag SDD im Bereich E-Commerce tatsächlich nicht die Erfolgsgeschichte sein, die ihr zuvor angedichtet wurde. Die große Ausnahme von der Regel sind jedoch die Segmente Lebensmittel und Arzneien. Hier beweisen Firmen wie Bringmeister, Gorillas oder Food.de teils schon seit einigen Jahren die Existenz einer durchaus hinreichend großen Zielgruppe, um Rentabilität zu gewährleisten.

Allerdings operieren die allermeisten Anbieter derzeit nur in den größeren Städten. Im ländlichen Raum müssen viele Kunden verzichten. Dabei gibt es gerade hier ein großes Interesse – und dass das Prinzip im LEH funktionieren kann, zeigen zahlreiche ländliche Gastronomien, die gut damit leben, ihre Produkte zu den Kunden zu bringen. Stellt sich nur die Frage: Wie können Lebensmitteleinzelhändler vorgehen?

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SDD im ländlichen Raum: Warum das Konzept interessant sein kann

Der ländliche Raum befindet sich derzeit in einer Transformationsphase, die maßgeblich durch den pandemiebedingten Aufstieg der Heimarbeit hervorgerufen wurde. Die noch vor wenigen Jahren immer drängender werdende Landflucht in Richtung der Städte hat sich generell verlangsamt, ist vielerorts völlig zum Stillstand gekommen und hat sich teilweise sogar ins Gegenteil verkehrt. 

Verständlich ist das: Mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer arbeitet in irgendeiner Form von Bürojob. Damit besteht die theoretische und seit der Pandemie vielfach auch praktische Möglichkeit, von überall zu arbeiten – viele wollen dies so handhaben.

Da viele Arbeitnehmer hauptsächlich aus Berufsgründen in Städte zogen, fällt damit eine wichtige Grundlage der Landflucht weg. Im Prinzip kann heute selbst der ländlichste Ort attraktiv sein, sofern er nur über eine halbwegs vernünftige Internetanbindung verfügt. Das lässt sich sogar anhand der Immobilienmärkte deutschlandweit nachvollziehen. Nicht nur ziehen weniger bisherige Landbewohner weg, sondern es ziehen ehemalige Stadtbewohner raus. Dort allerdings finden sie in Sachen Versorgung einige Realitäten vor:

  • Wer zuhause arbeitet, muss gar nicht pendeln. Er kann also nicht auf dem Nachhauseweg einen bequemen Abstecher zum Einkaufen machen, sondern muss dies gesondert erledigen.
  • Die Umkehrung der bisherigen Verhältnisse hat längst noch nicht zu einem Wiedererstarken von Einkaufsmöglichkeiten im Ländlichen geführt. Vielfach herrschen weiterhin Situationen, in denen ein Lebensmitteleinzelhändler die einzige Anlaufstelle in vielen Kilometern Radius ist. 
  • Durch die Heimarbeit ist es für viele unattraktiv, sich nur zwecks Einkäufe aus dem Haus zu begeben – nach Feierabend und über teils viele Kilometer.
  • Nach wie vor ist der Altersdurchschnitt im ländlichen Raum meist noch höher als in Gesamtdeutschland. Dementsprechend haben viele Bewohner eine eingeschränkte Mobilität.

Schon seit längerer Zeit sind Landbewohner die (etwas) eifrigeren Nutzer von E-Commerce und Lieferdiensten. Angesichts der geringeren Bevölkerungsdichte und weiterer Faktoren müssen LEH jedoch ihre Same-Day-Delivery mit Augenmaß aufziehen.

Tipp 1: Kundenanalyse betreiben

Wer im ländlichen Raum operiert und glaubt, dadurch würde sich eine SDD automatisch rentieren, der kann mitunter einen kostspieligen Fehler begehen. Wie bereits erwähnt: Längst nicht jeder ländliche Raum profitiert von der aktuellen Situation.

Aus diesem Grund ist es unabdingbar, als erstes eine umfassende Zielgruppenanalyse zu betreiben: Welche Menschen kaufen überhaupt hier ein? Können Sie das Unternehmen gut erreichen? Hat die umliegende Region zuletzt viele Zuzügler verbuchen können? Und: Würden sich die Kunden überhaupt für eine Lieferung interessieren?

Verschiedene Umfragen zeigen beispielsweise, nur wenige Menschen sind bereit, deutlich mehr als etwa fünf Euro Aufschlag für einen solchen Lieferservice zu akzeptieren. Das heißt, es ist sehr genaues Kalkulieren nötig, damit SDD für das eigene Haus nicht zum Verlustgeschäft wird. 

Tipp: Zusätzlich kann es sich lohnen, sich die Anzahl von Restaurants in der näheren Umgebung anzusehen, die Lieferservices offerieren. Wenn sich die Leistung für eine Gaststätte rentiert, dürfte sie es wahrscheinlich ebenso für einen Lebensmitteleinzelhändler tun.  

Tipp 2: Lieferungs- und Verpackungskosten gering halten

SDD soll das eigene Haus möglichst wenig kosten, jedoch die Umsätze vergrößern und idealerweise den Kundenstamm noch dazu. Eine wichtige Grundlage dafür haben LEH verschiedensten anderen Unternehmen voraus: Sie können die gesamte Logistik in Eigenregie übernehmen, müssen nicht auf externe Dienstleister zurückgreifen. Dennoch gibt es mehr zu tun:

  • Das Thema Verpackungen sollte sparsam angegangen werden. Die wahrscheinlich beste Lösung hierfür sind maßgeschneiderte Versandkartons – schließlich wird es längst nicht immer möglich sein, die Bestellungen persönlich zu übergeben.
  • Sofern es die Struktur der Umgebung (vor allem hinsichtlich der Entfernungen zu den Kunden) zulässt, sollten unbedingt elektrische Lieferfahrzeuge genutzt werden. Für einen typischen ländlichen LEH wird davon eines bereits genügen. Erstens sind die „Kraftstoff“kosten deutlich geringer (und können durch die Nutzung von Photovoltaik auf dem Firmendach weiter reduziert werden). Zweitens werden solche Transporter von verschiedenen Stellen umfassend gefördert. Drittens entfallen viele Steuerzahlungen, die bei herkömmlichen Antrieben anfallen. Zudem kann das eigene Unternehmen dadurch mit einem verringerten klimatologischen Fußabdruck für sich werben.
  • Das Konzept sollte möglichst in Liefertouren zusammengefasst werden, wie sie generell in der Logistik verbreitet sind. Das heißt, es wird nur eine Lieferung bis zum Ende des Tages garantiert – und auch nur dann, wenn die Bestellung bis zu einer bestimmten Uhrzeit eintrifft.

Bei den bereits erwähnten Online-Supermärkten in großen Städten mag es anders sein. Hier ist NDD in der Praxis oftmals eher eine Next-Hour-Delivery. Auf dem Land lässt sich dies jedoch aufgrund der deutlich größeren Distanzen vielerorts kaum nachmachen – besonders nicht, wenn die Lieferung nicht das wirtschaftliche Haupt-Standbein ist. 

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Tipp 3: Ein tragfähiges Bestellsystem etablieren

Wie funktioniert das Bestellen bis zum heutigen Tage in vielen Restaurants? Per Telefon. Allerdings tut es das nur, weil der Inhalt einer Speisekarte deutlich geringer ist als das typische Sortiment im LEH – bis zu 3.500 Einzelartikel in Discountern und sogar über 12.000 in Supermärkten.

Bitte nicht falsch verstehen: Je nach Altersstruktur des Kundenstammes sollte es durchaus eine Möglichkeit geben, selbst im ländlichen LEH auf diese Weise zu bestellen. Bei allen Fortschritten sind Senioren in der Masse nach wie vor deutlich weniger Internet-affin. 

Der Hauptfokus sollte jedoch auf einer digitalen Vorgehensweise liegen. Hierfür gibt es eine recht simple und eine aufwendigere, dafür aber professionellere Vorgehensweise:

  • Simpel: Auf der Website des Geschäfts findet sich eine stets halbwegs aktuelle Liste des Sortiments inklusive der Preise. Da viele Unternehmen sowieso längst digitale Warenwirtschaftssysteme nutzen, ist das einfach umsetzbar. Die Bestellung erfolgt dann schlicht und ergreifend über eine simple Einkaufsliste via E-Mail, gegebenenfalls Kurznachricht oder Anruf.
  • Professionell: Es wird ein „richtiges“ Shopsystem genutzt, wie es in ähnlicher Form von sämtlichen E-Commerce-Unternehmen verwendet wird. Das muss nicht unbedingt teuer sein, denn es gibt verschiedene leistungsfähige, jedoch Open-Source-programmierte Shopsysteme – also zur kostenlosen Nutzung. In diesem Fall bestellen die Kunden dementsprechend im LEH ähnlich wie sie es von verschiedenen Online-Geschäften gewöhnt sind. 

Erneut sollte die Kundenstruktur diktieren, welches Modell genutzt wird. Allerdings muss stets klar ersichtlich sein, unter welchen Konditionen eine Same-Day-Delivery möglich ist. Andernfalls können Kunden enttäuscht werden, was sich negativ auf den gesamten Ruf des Hauses auswirken kann – nicht nur als Lieferant. 

Tipp 4: Das Bestellsortiment stets beobachten und gegebenenfalls anpassen

Kaufen bestellende LEH-Kunden dieselben Waren wie solche, die sich in das Ladengeschäft begeben? Mitunter ja, mitunter jedoch nein. Denn die Möglichkeit, sich Dinge liefern zu lassen, kann das Kaufverhalten bei vielen Menschen durchaus beeinflussen. 

Betreiber sollten deshalb a) immer wieder beobachten, was besonders häufig bestellt wird und b) herausfinden, welche Produkte sich zusätzlich rentieren könnten – selbst solche, die sich bislang noch nicht im Sortiment finden. Einige Denkansätze:

  • Typische Frühstückszutaten, gegebenenfalls nur auf das Wochenende beschränkt. 
  • Freiverkäufliche Arzneien und ähnliche Mittel, mitunter speziell auf Eltern mit Kindern und/oder Senioren zugeschnitten.
  • Bestimmte Baumarkt-Verbrauchsartikel. Landbewohner bestellen besonders häufig generell Baumarktartikel. Die Möglichkeit, beispielsweise Schrauben, Dübel, Leuchtmittel und ähnliche Kleinteile im LEH via SDD zu bekommen, kann deshalb sehr attraktiv und rentabel sein. 

Nur eines sollten LEH-Betreiber bei all dem unbedingt machen: Die Rentabilität der SDD ständig messen. Nicht überall lohnt sie sich. In einigen Fällen jedoch kann sie sich mit der Zeit so stark rentieren, dass sie das eigentliche stationäre Kerngeschäft in den Schatten stellt. 

Was haltet ihr von diesem Thema? Bitte schreibt uns indes eure Meinung auf Supermarkt Inside.

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Beitragsfoto: stock.adobe.com © SFIO CRACHO

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