Praxis-Tipps

Für Marktleiter und – Mitarbeiter: Richtiges Verhalten in ungewöhnlichen Berufssituationen

Dieser Beitrag ist Teil 29 von 44 in der Serie Mitarbeiter

Zwischen kühlem Kopf und autoritärer Ansage

Langjährige LEH-Beschäftigte werden eines bestätigen können: Selbst Dutzende Jahre im Job genügen nicht, um nicht doch hin und wieder während der Arbeit durch das Verhalten von Kunden oder Dritten überrascht werden zu können – nicht immer der positiven Art. 

Tatsache ist, dass der Lebensmitteleinzelhandel aufgrund seiner Natur als zentrale Anlaufstelle oftmals zum Schauplatz von außergewöhnlichen Situationen oder ungewöhnlichem Verhalten wird. Selbst, wenn vieles davon ganz klar weder zu den Kernkompetenzen von LEH-Personal noch Marktleitern gehört, sind dennoch sie es, die sich situationsgemäß verhalten müssen – wahlweise, um Eskalationen zu verhindern oder um einen Moment nicht durch Fehlverhalten zu verderben. 

Auf den folgenden Zeilen zeigen wir sechs Tipps aus dem realen Alltag, die so nicht nur theoretisch bei jedem Lebensmitteleinzelhändler vorkommen können.

1. Plötzlich… Millionär

Nach wie vor gehören Lottoannahmestellen zum Angebot vieler Märkte – insbesondere im ländlichen Raum, wo es vielfach keinerlei anderen Geschäfte in der näheren Umgebung gibt. Nun könnte man sich durchaus über die Gewinnchancen beim regulären Lotto disputieren. Doch es vergeht kaum eine Woche ohne die Kürung eines Gewinners von „6 aus 49“ oder einer der anderen offiziellen Lotto-Varianten.

Damit besteht eine Möglichkeit: Die zugehörige Lottoannahmestelle wird zum Schauplatz eines Millionengewinns. Zwar werden Gewinnsummen jenseits von einigen Tausend Euro standardmäßig überwiesen, dennoch kann es vorkommen, dass der Gewinner sich zur Annahmestelle begibt – und dann?

Richtiges Verhalten:

Grundsätzlich ist Diskretion jetzt das oberste Credo. Wahrscheinlich weiß der Gewinner selbst nicht einmal, wie er sich genau verhalten sollte. Doch zu den Grundregeln großer Siege gehört es, darüber aus naheliegenden Gründen zu schweigen. Das gilt 1:1 auch für das Marktpersonal.

Das bedeutet: Keine große Beglückwünschung im Kundenbereich, keine spontanen Durchsagen, kein Hinzuziehen der Presse. Sinnvoll wäre es, bei einem solchen Gewinn den Marktleiter zu instruieren, damit er im Namen der Belegschaft gratulieren kann. Jedoch hier abermals: Nicht dort, wo andere Kunden es sehen könnten. Alles Weitere sollte dann davon abhängen, was der glückliche Gewinner möchte. Ein kleines Präsent ist allerdings immer angebracht. 

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2. Betrunken und berauscht

Alkohol dürfte zum Sortiment eines jeden LEH in Deutschland gehören. Und wo Alkoholika verkauft werden, greifen definitiv nicht nur nüchterne Menschen zu, sondern ebenso solche, die den Markt zwecks Nachschubbeschaffung aufsuchen. 

Längst nicht jeder wird dabei sichtlich berauscht sein. Bei einigen ist es jedoch nicht mehr zu übersehen. Das ist der Moment, an dem Marktmitarbeiter sehr aufmerksam und einsatzbereit sein sollten. Denn zumindest drohen Schäden durch die eingeschränkte Motorik.

Richtiges Verhalten:

Zunächst heißt es in solchen Situationen: Nur beobachten und in der Nähe bleiben. Wenn der Kunde von sich aus alles findet und keine Probleme macht, gibt es keinen Grund, ihn überhaupt anzusprechen. Sollte er jedoch sichtlich desorientiert sein oder ihm beispielsweise Ware aus den Händen entgleiten, sollte rasch eingeschritten werden:

  • Höflich und klar verständlich ansprechen.
  • Dem Kunden das geben, wonach er verlangt, um keine Eskalation zu betreiben. § 20 des Gaststättengesetzes („Verboten ist […] in Ausübung eines Gewerbes alkoholische Getränke an erkennbar Betrunkene zu verabreichen […]“greift schließlich nicht im Lebensmitteleinzelhandel.
  • Ihn höflich, aber bestimmt zur Kasse geleiten und ihm gegebenenfalls beim Bezahlen helfen.

Sollte der Kunde ausfallend werden, bitte nichts persönlich nehmen. Wichtig ist dann, ihn möglichst rasch vom Gelände zu komplimentieren und ihm dazu feste, bestimmte, mitunter sogar autoritär klingende Ansagen zu machen. 

Jedoch: Sollte das Verhalten in Aggression umschlagen, dann sollten mehrere Mitarbeiter die Person schnellstens sichern. Das ist im Rahmen der „Jedermannsrechte“ legitim. Nur sollte in diesem Fall sofort die Polizei hinzugezogen werden.

3. Auf Knien vor der Angebeteten

Es mag auf viele Leser nicht gerade nach dem besten Ort für eine so wichtige lebensverändernde Handlung wirken. Tatsächlich jedoch gab es schon genügend Heiratsanträge, die irgendwo in den Gängen von Supermärkten oder Discountern ausgesprochen wurden. Erst 2021 etwa in einem Rewe.

Richtiges Verhalten:

Mitunter bekommt man als Mitarbeiter von einer solchen Aktion nur indirekt mit; etwa über die Überwachungskameras. Grundsätzlich sei jedoch zu maximaler Zurückhaltung geraten – wenigstens zunächst. Zwar sollte niemand Ruhe erwarten, wenn er an einem solchen Ort einen Antrag macht, aber dennoch sollten Mitarbeiter dem Paar die Zeit geben. 

Grundsätzlich gilt: Bitte die Handykameras ausgeschaltet lassen, selbst wenn der Zeitgeist eigentlich danach verlangt.

Falls die Antwort ein „Ja, ich will“ ist, sollte es schnell gehen: Sofern es der Betrieb zulässt, sollten möglichst viele Kollegen zusammengerufen werden, um Applaus beizusteuern. In einem solchen Fall wäre es überdies eine schöne Geste, wenn der Marktleiter den ganz frisch Verlobten ein kleines Präsent überreicht. 

Stößt der Antrag indes auf Ablehnung, so sollte vorsichtige Zurückhaltung geübt werden. Höchstwahrscheinlich sind beide Beteiligten in diesem Moment negativ überwältigt – und werden wahrscheinlich schnell den Markt verlassen.

4. Jugendlich und auf Streit aus

Jugendliche, die den Parkplatz vor dem Markt als Skate-Park missbrauchen, die vor oder im Markt herumhängen oder dort ganz offensichtlich etwas anderes als Einkäufe im Schilde führen. Einzeln mögen sich solche ungebetenen Kunden sicher handhaben lassen. Deutlich schwieriger und mitunter sogar brandgefährlich wird es hingegen, wenn es sich um Gruppen ab zirka drei Personen aufwärts handelt.

Richtiges Verhalten:

Das Gefährliche an dieser Situation ist die weitgehende Unmöglichkeit, es solchen „Krawallmachern“ recht zu machen. Jede Antwort, jede Handlung kann falsch sein oder so aufgefasst werden. Je nach Verhalten sollte diese Jugendlichen deshalb nur durch den Marktleiter, sehr gerne unterstützt durch einen möglichst großen, kräftigen Mitarbeiter, mit scharfen Worten des Hauses verwiesen werden. Fruchtet dies nicht oder nur teilweise, sollte sofort die Polizei gerufen werden, bevor es möglicherweise zu Angriffen kommt. 

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5. Wenn zwei sich streiten

…dann ist es für LEH-Personal oftmals schwierig, sich richtig zu verhalten. An sich sollte man annehmen, Paare würden ihre Streits eher in den eigenen vier Wänden austragen. In der Praxis kann jedoch gerade der Einkauf der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. 

Richtiges Verhalten:

Erneut gilt: Wie das Marktpersonal sich verhalten sollte, hängt von Art und Ausmaß der Lage ab. Beobachten ist grundsätzlich angeraten. Nicht zuletzt, um bei Handgreiflichkeiten sofort einschreiten zu können und Zeugen zu haben. Falls das Paar sich jedoch nicht wirklich lauthals streitet, sind keine weiteren Handlungen angeraten.

Anders sieht es hingegen aus, wenn die Lautstärke auf ein Niveau ansteigt, das kein Ignorieren mehr zulässt. In diesem Fall ist ein resolutes Dazwischengehen unbedingt angebracht, etwa mit Worten wie:

„Ich möchte sie höflich bitten, ihren Streit entweder sofort zu beenden oder den Markt zu verlassen. Das ist kein Ort für derartige Auseinandersetzungen!“

Sofern es „nur“ bei Worten bleibt, sollte zudem keinesfalls aktiv Partei ergriffen werden. Andernfalls kann es zu einer Situation kommen, in der sich der Zorn des anderen Partners gegen den Mitarbeiter richtet.  

6. Eine umstrittene Form von Diebstahl

Wie sich ein LEH-Mitarbeiter zu verhalten hat, der in den Räumen einen Ladendieb ertappt, dürfte wohl zu denjenigen Dingen gehören, die schon bei der Einarbeitung umfassend vermittelt werden. Deutlich schwieriger sieht es bei einer anderen Form von Diebstahl aus, bei der es zu starken moralischen Implikationen kommen kann.

Die Rede ist vom sogenannten Containern. Also das unerlaubte Entnehmen von Lebensmitteln aus den markteigenen Abfallbehältern – entsorgt aus unterschiedlichen Gründen, aber stets, weil diese Ware nicht mehr regulär verkauft werden kann oder sogar darf.

Rein rechtlich ist die Sachlage eindeutig: Selbst wenn unter anderem Landwirtschaftsminister Özdemir Containern grundsätzlich straffrei stellen möchte, so ist es zum jetzigen Stand (= Anfang April 2023) nach wie vor ein ganz normaler Diebstahl nach Paragraph 242 StGB. Moralisch allerdings ist die Sachlage weit weniger eindeutig.

Richtiges Verhalten:

Bezüglich des Containerns sei Marktleitern dringend angeraten (nötigenfalls in Absprache mit Franchise-Gebern oder anderen übergeordneten Stellen) eine für den ganzen Markt und alle Mitarbeiter einheitliche Strategie festzulegen und deutlich zu kommunizieren. 

Allerdings wird diese nicht zuletzt aus Schutz gegen Regressansprüche wahrscheinlich darauf hinauslaufen, das Containern im Haus weiterhin zu verbieten. Damit stellt sich die Frage, was im Fall der Fälle zu tun ist.

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Grundsätzlich empfiehlt es sich dringend, sich ungeachtet des eigenen Standpunktes nicht auf Diskussionen mit Menschen einzulassen, die containern gehen. Diese haben typischerweise nicht nur einen absolut festzementierten moralischen Standpunkt dazu (Containern gilt den meisten als ein „Retten“ von Lebensmitteln), sondern sind meistens lange Diskussionen gewöhnt – und vielfach willens, zu versuchen, das Marktpersonal zu überzeugen.

Die beste Möglichkeit wäre es, die Personen entweder vom Gelände zu vertreiben oder sie festzusetzen und die Polizei zu alarmieren. Doch ähnlich wie bei jedem Diebstahl oder gar Raub im Markt gilt hier: Keine Ware ist es wert, die eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Erst recht nicht Ware, die schon entsorgt wurde. 

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Bilder: wie gekennzeichnet.

Beitragsfoto: Pressebild der West-Lotto

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